12. Juni 2015

Die Korruption in Peru und ihre lange Geschichte

Von Miguel Meyer - Freier Mitarbeiter, Themen Peruanische Innenpolitik | Nachrichten zur Politik Perus

Besprechung über das Buch von Alfonso Quiroz

Die Korruption in Peru und ihre lange Geschichte

Mit seinem Buch über die Geschichte der Korruption in Peru hat Alfonso Quiroz eine einmalige Studie vorgelegt, welche die Entwicklung von deren Anfängen bis heute überzeugend darlegt, und dies mit einer akribisch zusammengestellten Dokumentation. Die Korruption in Peru beginnt mit der Eroberung des Inkareichs durch Spanien im 16. Jahrhundert, setzt sich mit der Festigung der spanischer Herrschaft im Vizekönigreich fort und dauert mit der Entstehung der Republik bis zum heutigen Tag an.

Sonderbehandlung der wohlgesinnter Eliten

Hauptmerkmale der Korruption in all ihren Phasen sind einerseits die Bildung eines Patronats mit der dazugehörenden Sonderbehandlung wohlgesinnter Eliten, sei es durch die Vergabe von Privilegien oder Posten, sei es durch die Schenkung von großzügigen Geldsummen. Dies scheint den Ursprung in erster Linie darin zu haben, dass zwischen König und Vizekönig nur schwerlich Kommunikation entstehen konnte angesichts der geographischen Entfernung zwischen Kolonie und Mutterland. So war der Vizekönig zum Teil auf sich allein gestellt und musste, sofern er die Krone vertrat, sehen, mit wem er, wie auch immer, seine Politik durchzusetzen vermochte.

Andererseits treten Begleiterscheinungen der Korruption auf, wie die Ausbeutung und Misshandlung der indigenen Bevölkerung, die zum Teil völlig unzureichende Wirtschaftsverwaltung (vor allen Dingen was den Bergbau betrifft), das oft hemmungslose Handeln mit Schmuggelwaren und Drogen, die Enteignung von Ländereien von beliebigen Gesellschaftsgruppen für angeblich „vaterländische“ Zwecke (die sogenannten „secuestros“ in den Anfängen der Republik) oder die Bestechlichkeit einzelner Gruppen bei der Vergabe von öffentlichen Großprojekten.

Dies, so wird in den Ausführungen von Quiroz deutlich, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Perus bis hin zu der Ära Fujimoris und darüber hinaus.

Hemmschuh für Entwicklung

Diese Missstände haben gravierende Ausmaße für Staat und Gesellschaft. Dadurch, dass Gelder aus öffentlichen und privaten Kassen für die Finanzierung von Vetternwirtschaft, Bestechung und anderen oben erwähnten Formen der Korruption abgezogen werden, kann keine langfristige Entwicklung entstehen. Im Gegenteil: Korruption ist ein Hemmschuh für Entwicklung, ein Grund unter anderem für die Unterentwicklung Perus. Quiroz kommt zum Ergebnis, dass zwischen 1820 bis 2000 durchschnittlich etwa 40 bis 50 Prozent an Entwicklungspotential durch systematische Korruption verloren gegangen sind.

Den Willen, gegen die Korruption anzugehen, gab es gewiss immer wieder, aber er erlahmte, sobald eine neue Regierung an die Macht gekommen war, ob durch einen Militärputsch oder durch freie Wahlen.

Die Ära Alan Garcia

Nach einer langjährigen korrupten Militärdiktatur und einer darauffolgenden Regierung des relativ hilflosen Präsidenten Fernando Belaúnde – im Schatten der zurückgezogenen Militärs und geprägt durch fallende Preise für Ausfuhren, eine rückläufige Zahlungsbilanz, niedrige Staatseinnahmen, eine galoppierende Inflation sowie eine steigende Auslandsverschuldung – atmeten die Menschen wieder auf, als im Juli 1985 der junge 36-jährige Alan García zum neuen Präsidenten gewählt wurde. Er war entschlossen, der Korruption und Misswirtschaft Einhalt gebieten.

Doch sein Reformwille war kurzlebig. Bald nach seiner Wahl fiel auf, dass wichtige Ämter in Wirtschaft und Verwaltung von seinen Parteifreunden (der Alianza Popular Revolucionaria Americana, kurz APRA) besetzt wurden. Auch in den Gerichten wurden Posten vergeben, und es stellte sich bald heraus, dass diese Richter, ohnehin meist unterbezahlt, nicht abgeneigt waren, Bestechungsgeldern anzunehmen, besonders wenn es um Drogengeschäfte ging.

Damit nicht genug: Man warf Alan García vor, öffentliche Gelder in dubiosen Konten der Bank of Credit and Commerce International (BCCI) eingezahlt zu haben, die mit Geldwäsche und illegalem Waffenhandel in Verbindung gebracht wurde. Beim Bau der Stadtbahn in Lima (tren eléctrico) flossen Bestechungsgelder. Überdies befand sich die Wirtschaft mit einer vierstelligen Inflationsrate in einer desolaten Lage; bei der Terrorismusbekämpfung kam es zu massiven Übergriffen auf die indianische Bevölkerung. Scharfe Vorwürfe (nach seiner Präsidentschaft), er habe sich auf unrechtmäßigem Weg bereichert, brachten das Fass zum Überlaufen. Quiroz schätzt, dass der durch Korruption verursachte Schaden von 1960 bis 1989 jährlich auf durchschnittlich eine Milliarde US Dollar zu Buche schlug.

Fujimori und Montesinos

Bei der Stichwahl 1990 gewann dann Alberto Fujimori die Präsidentschaftswahlen – auf dubiosem Weg. Sein Kontrahent, der Schriftsteller Mario Vargas Llosa, der den ersten Wahlgang für sich entschied, konnte bei den Wählern "als Angehöriger der peruanischen Elite" nicht überzeugen, obwohl er immer wieder auf die korrupten Machenschaften früherer Regierungen hinwies.

Wohlwissend, dass die Wiederwahl ihres Kandidaten aussichtslos ist, setzte die APRA-Partei alles daran, Alberto Fujimori mit fraglichen Mitteln zum Sieg zu verhelfen. Fujimoris künftiger Berater, Vladimiro Montesinos, zu dem Zeitpunkt im Geheimdienst Servivio de Inteligencia Nacional (SIN) tätig, mischte kräftig mit. Denn bereits während der Regierung von Alan García gab es erneut Gerüchte einer militärischen Intervention. Doch für Montesinos, selbst Absolvent der Militärakademie in Lima, schien die Stunde gekommen zu sein: Ein Putsch sollte vermieden und der bis dahin unbekannte Fujimori zum Präsidenten gewählt werden, weil dieser wegen Steuerhinterziehung um seine Reputation bangte und somit in Schach gehalten werden konnte. So war der Weg für Montesinos offen, nach eigenem Gusto Einfluss auf die Entscheidungen der Regierung zu nehmen.

Carátula del libro Historia de la corrupción

Das Ausmaß der Unrechtmäßigkeiten während der Regierung Fujimori und ihres Beraters Montesinos wurde erst nach deren Untergang deutlich. Sie reichten von Bestechung, Geldwäsche, Drogenhandel bis hin zur Einschüchterung der Medien. Doch am gravierendsten war wohl die Aushöhlung der Gerichtsbarkeit durch die Ernennung korrupter Richter und die Ausschaltung des Kongresses als gesetzgebende Gewalt. De facto hatte sich die Regierung Fujimoris in eine Diktatur verwandelt. Quiroz schätzt, dass in diesen zehn Jahren die Machenschaften dem peruanischen Staat etwa jährlich 1,4 bis 2 Milliarden US Dollar gekostet haben.

Das Buch ist sehr zu empfehlen – für Kenner und Interessierte gleichermaßen. Augenfällig, dies muss nochmals hervorgehoben werden, ist die akribische Dokumentation und die Quellenangaben, mit denen Quiroz seine Aussagen untermauert. Das Buch ist auch auf Spanisch erschienen mit dem Titel: Historia de la Corrupción en el Perú.

Über den Autor

Miguel Meyer - Freier Mitarbeiter

Miguel Meyer - Freier Mitarbeiter

Miguel meyer wuchs in Lima auf, wo er die Schule abschloss. Danach folgte ein Studium in Soziologie und Anglistik an der Alfred University in New York.

1977 machte er seinen 1. Staatsexamen an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg in Politikwissenschaft und Anglistik. Nach dem 2. Staatsexamen am Seminar für Studienreferendare Karlsruhe, wurde er Lehrer für Englisch und Geschichte.

Anschließend war er über 20 Jahre in der Erwachsenenbildung mit dem Schwerpunkt Sprachdidaktik und -Vermittlung tätig.

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