09. April 2017

Bolivien: Das Projekt "Bioceanico" geht weiter voran

Von Miguel A. Buitrago - Freier Mitarbeiter, Themen Schienen | Entwicklung | Nachrichten zur Politik Perus | Newsletter - 2017 - 05 Mai

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Quelle: S.E. Jorge Cardenas

Die bolivianische Regierung setzt ihr "Bioceanico"-Projekt fort. Das Ziel ist, mittels einer Eisenbahn durch Brasilien, Bolivien und Peru eine Verbindung zwischen dem Atlantik und Pazifik herzustellen. Die Eisenbahnlinie soll vom brasilianischen Hafen Santos im Süden Brasiliens aus starten, etwa 3100 Kilometer durch Bolivien und 400 Kilometer durch Peru führen und dann im Hafen von Ilo im südlichen Peru enden. Das Projekt wird voraussichtlich 10 bis 14 Milliarden Dollar kosten. Das politische, wirtschaftliche und soziale Potenzial eines solchen Projekts hat das Interesse der Nachbarländer Paraguay und Uruguay sowie die Aufmerksamkeit der deutschen Regierung geweckt. Der Bioceanico, wie es jetzt heißt, verspricht nicht nur die beiden Ozeane zu verbinden, sondern auch die Region. Das Projekt hat großes Potenzial, den Handel und die regionale Integration unter den Teilnehmerländern weiter zu stärken. Gleichzeitig kann es die Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika stärken, insbesondere mit Deutschland.

Hintergrund

Die Idee, die beiden Ozeane durch eine Eisenbahn zu verbinden, wird von der bolivianischen Regierung bereits seit 2013 gefördert. Ein erster Versuch der Umsetzung wurde in China während des Besuches von Präsident Morales gemacht, als er um Unterstützung für dieses Projekt bat. Im Jahr 2014 führte das bolivianische Ministerium für öffentliche Bauarbeit, Dienstleistungen und Wohnungswesen vier Machbarkeitsstudien durch, um Investoren zu gewinnen,. Allerdings kam dann der nächste Schub erst mit Morales Besuch nach Deutschland im November 2015. Die bolivianische Regierung und die deutsche Regierung (letztere durch das Interesse des Staatssekretärs Rainer Bomba vom Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) begannen Gespräche über die Realisierung eines solchen Projekts. Nach diesem anfänglichen Impuls fanden rasch weitere Treffen statt. So besuchte Herr Bomba im Januar 2016 auf Einladung von Herrn Morales Bolivien, um die Idee weiter zu erörtern. Später in diesem Jahr, im November, trafen sich die bolivianische und peruanische Regierung, um die Realisierung dieses Projekts zu besprechen; Morales konnte das Interesse des peruanischen Präsidenten gewinnen. Am 25. und 26. Januar 2017 kamen also die bolivianische Regierung zusammen mit peruanischen und paraguayischen Funktionären auf Besuch nach Deutschland. Am 22. März besuchte dann Staatssekretär Bomba Bolivien erneut, dieses Mal mit einer Delegation von 40 Unternehmen mit Interesse an der Teilnahme an einem solchen Projekt. Herr Bomba und Herr Morales, die mittlerweile eine Freundschaft zueinander entwickelt haben, haben nun ein Memorandum of Understanding zu ihren gemeinsamen Plänen des Eisenbahnbaus unterzeichnet.

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Quelle: ABI, Los Tiempos - Ramiro Moncada A.

Das Projekt: Bioceanico

Wie der Name schon sagt, geht es um die Verbindung zweier Ozeane mittels einer transkontinentalen Eisenbahn, beginnend an der Südküste Brasiliens und endend an der südlichen Küste Perus. Die Eisenbahn soll eine Strecke von etwa 3500 km quer über den Kontinent abdecken, sowie die Integration Südamerikas weiter unterstützen. Laut Plan soll die Strecke im Hafen von Santos in Brasilien beginnen, weiter nach Aracatuba, Canto Grande gehen, in das bolivianische Puerto Suares (Südost-Bolivien). Von dort aus soll es an den Städten Santa Cruz, Montero und Bulo Bulo vorbei gehen, bis zum Altiplano von La Paz. Die Strecke soll dann durch die 4. Parallele peruanisches Gebiet erreichen, um schlussendlich im Hafen von Ilo anzukommen und dort zu enden. Gleichzeitig soll Paraguay über den Hafen Carmelo Peralta, der mit Robore in Bolivien verbunden ist, entlang des Paraguay-Flusses mit der Strecke verbunden werden.

Bedeutung

Der Projektname Bioceanico, der Herrn Bomba zufolge, in einem Gespräch zwischen ihm und Herrn Morales auftaucht, wird eines der bedeutendsten Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte der letzten Jahrzehnten sein. Nicht nur weil der Zug Transportkosten senken und damit den Handel und letztlich die weitere wirtschaftliche Entwicklung antreiben wird, sondern auch weil es eine starke integrative Komponente gibt.

Das Projekt wird von einer Reihe lateinamerikanischer Nationen mit entwickelt. Herr Morales hat frühzeitig die Teilnahme von Peru gewonnen. Bei weiteren Treffen sind Brasilien, Uruguay und Paraguay dem Projekt beigetreten. Argentinien überlegt, ebenfalls beizutreten. Von der anderen Seite des Atlantiks hat sich Deutschland schon früh den Anstrengungen angeschlossen, wie auch einige Schweizer und französische Unternehmen. Zur Finanzierung des Projekts haben sich die Interamerikanische Entwicklungsbank (IADB) und die Entwicklungsbank für Lateinamerika (DBLA) den Bemühungen angeschlossen. Ebenso gibt es bisher mehrere Machbarkeitsstudien von bolivianischer und peruanischer Seite, wie nun auch das zwischen Bolivien und Deutschland unterzeichnete Memorandum of Understanding und ein weiteres der Teilnehmerländer Peru, Bolivien und Paraguay. Brasilien hat ein wenig Zeit erbeten, um eine Entscheidung zu treffen.

Jeder der Beteiligten hebt zudem das große Potenzial zur weiteren Integration der Region hervor. So hatte Morales das Projekt vor kurzem den "Panamakanal des XXI Jahrhunderts" genannt. Laut Herrn Bomba werden die Züge nicht nur Waren transportieren, sondern auch Menschen verbinden. Dies wird ein "wichtiger Faktor für die weitere Zusammenarbeit und das bessere Verständnis unter diesen Nationen" sein, so Bomba. Von  europäischer Seite, vor allem der deutschen Seite, könne das Projekt gute Entwicklungsarbeit in Form von Technologietransfer realisieren. Deutsche Unternehmen heben ihre Absicht hervor, neue Technologien in die Region zu bringen und lokale Arbeitskräfte dafür zu schulen. "Das eröffnet eine gute Gelegenheit, auch das duale Bildungssystem zu etablieren", sagte Bomba.

Die bolivianische Regierung hat das Projekt auch weiter vorangetrieben, weil das Land ein integraler Bestandteil des Projektes ist. Eine Realisierung würde - zum ersten Mal - eine Vereinheitlichung des bolivianischen Eisenbahnsystems bedeuten. Historisch gesehen hat Bolivien zwei getrennte Eisenbahnsysteme - die östlichen und die westlichen Systeme, welche sich aufgrund unterschiedlicher Interessen entwickelt haben. Das westliche System wurde von der Bergbauindustrie während des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelt, als die chilenischen und bolivianischen Unternehmen Mineralien durch chilenische Häfen exportieren mussten. Dieses System verband Chile, Bolivien und Argentinien. Das östliche oder orientalische System wurde vor allem im frühen 20. Jahrhundert aufgrund der Bedürfnisse bolivianischer und brasilianischer Ölkonzerne entwickelt, die ihre Produkte nach Brasilien und Argentinien exportieren wollten. Aus diesen Gründen war es unmöglich, direkt von Santa Cruz nach La Paz mit dem Zug zu reisen. Eine solche Reise musste unbedingt durch Argentinien gehen.

Was bleibt zu tun

Das Projekt wurde beim Treffen in Bolivien am 22. März klarer gestaltet. So wurden vier Aufgabengruppen geschaffen: Strategie, Finanzierung, Normen und technische Spezifikationen. Die teilnehmenden Länder werden je zwei Vertreter zu jeder Aufgabengruppe delegieren. Die Länder beschlossen zudem die Durchführung eines monatlichen Treffens per Videokonferenz, um Schritte zu koordinieren und das weitere Verfahren zu besprechen. Bolivien und Paraguay haben sich auch dazu entschlossen, sofort und kontinuierlich an einem bestimmten Teil der Eisenbahn zu arbeiten. Bolivien ist zum Koordinator des Projekts ernannt worden, angeführt vom Ingenieur Ariel Torrico. Gleichzeitig stimmten die Länder einer Zeitplan zu, die ohne Verzögerungen eingehalten werden soll.


Das Memorandum of Understanding zwischen Bolivien und Deutschland [freie Übersetzung]

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Quelle: ABI, Jose Lirauze

Das Dokument wurde am 22. März 2017 in Bolivien unterzeichnet. Beide Parteien - das bolivianische Ministerium für öffentliche Arbeiten, Dienstleistungen und Wohnungswesen sowie das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur haben folgendes vereinbart:

  • Zur Fortsetzung der Arbeit braucht es einen wirtschaftlich soliden Gesamtplan für jeden Schritt des Projekts.
  • Den Austausch von Erfahrungen zum Bau der Eisenbahn.
  • Die Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Institutionen und den beteiligten Unternehmen bei Fragen von Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb.
  • Die Förderung der Beteiligung aller Arten von Unternehmen und staatlichen Institutionen.
  • Im Rahmen ihrer Möglichkeiten sind die Ministerien bereit, bei den Investitionen zu helfen, die für den Bau der Eisenbahn bestimmt sind.

Über den Autor

Miguel A. Buitrago - Freier Mitarbeiter

Master in Wirtschaftswissenschaften und Doktor der Politikwissenschaft.

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